5,0 de 5 estrellas
Ein augenöffnendes Buch über das rechtliche Betriebssystem des globalen Kapitalismus
Revisado en Alemania 🇩🇪 el 4 de enero de 2021
Die Autorin hat ein wirklich faszinierendes Buch geschrieben, wobei sich das Faszinierende leider erst auf den zweiten Blick erschließt, da die Lektüre des Buches für Nicht-Juristen wie mich, nun ja, kein Lusterlebnis ist. Ich gebe auch gerne zu , dass ich vermutlich nur die Hälfte des Textes verstanden habe, aber das, was ich verstanden habe, das hat es in sich. Und es hat mir in mancherlei Hinsicht die Augen geöffnet.
Frau Pistor bietet nichts weniger als einen Blick hinter die Kulissen des Kapitalismus. Bei „Kapital“ denkt man immer an Geld, an Banken, Hedge-Fonds, vielleicht noch an Steuern und Steuerparadiese und dergleichen. Doch die Autorin lenkt den Blick auf das „Betriebssystem“ des Kapitalismus (insbesondere anglo-amerikanischer Prägung), also das, was zum Funktioniern unabdingbar ist, dem Nutzer aber normalerweise verborgen bleibt: Das Recht. Und zwar nicht das Recht, wie es sich in Gesetzen findet, welche von Parlamenten erlassen werden, sondern vom Privatrecht, das quasi ein Schattendasein in einem Schattenreich führt, in dem die Anwälte die Herren sind, oder besser: die Programmierer. Denn das englische Wort „Code“ bedeutet zweierlei: Code und eben auch „Programm“ (im Sinne von Computerprogramm).
Anwälte sind es im Wesentlichen, die aus einem beliebigen Gut („an asset“) Kapital machen, indem sie dieses Gut „codieren“ bzw. „programmieren“, und ihm so spezielle Eigenschaften verleihen. Sie schreibt:
„Fundamentally, capital is made from two ingredients: an asset, and the legal code. I use the term “asset” broadly to denote any object, claim, skill, or idea, regardless of its form. In their unadulterated appearance, these simple assets are just that: a piece of dirt, a building, a promise to receive payment at a future date, an idea for a new drug, or a string of digital code. With the right legal coding, any of these assets can be turned into capital and thereby increase its propensity to create wealth for its holder(s).“
Diese Eigenschaften, die aus einem Gut ein Kapital machen sind:
„Priority, which ranks competing claims to the same assets; durability, which extends priority claims in time; universality, which extends them in space; and convertibility, which operates as an insurance device that allows holders to convert their private credit claims into state money on demand.“
Doch welche Rolle spielen die Staaten? Sind sie es nicht, die die Regeln bestimmen? Die Antwort von Frau Pistor: Ja und Nein. Staaten erlassen Gesetze, doch diese sind immer unvollständig, was den privaten Akteuren erlaubt, in den Lücken, die die Gesetze unweigerlich lassen, ihre 'Codierungen' vorzunehmen. Hinzu kommt, dass gerade im sog. Common Law der anglo-amerikanischen Tradition viel weniger 'top down' erlassen wird, sondern sich die Regeln viel mehr evolutionär, also 'bottom up' entwickeln.
Und deswegen ist es auch kein Zufall, dass die beiden maßgeblichen Jurisdiktionen im internationalen Wirtschaftsrecht jene von England und des Staates New York sind, da diese es sind, die den privaten Akteuren den größten Spielraum einräumen. Kurz gesagt: das 'Betriebssystem' der internationalen Märkte kommt also aus England und New York und spricht Englisch.
Zudem entsteht immer mehr eine außerstaatliche Schattengerichtsbarkeit, wenn große Player auf den Märkten in ihren Verträgen stipulieren, dass etwaige Streitigkeiten nicht mehr vor staatlichen Gerichten ausgetragen werden, sondern private Schiedsgerichte angerufen werden müssen.
Die Autorin entwirft gegen Ende des Buches ein Bild, in dem die Staaten immer mehr zu Erfüllungsgehilfen der privaten Akteure, also der Kapitaleigner und ihren Anwälten, werden, wenn staatliche Organe am Ende nur mehr und mehr die in internationalen Anwaltskanzleien generierten Regeln um- und durchsetzen.
Die folgenden Sätze sind ein gutes Fazit dieses klugen Buches:
"There is no capital without law, because only law can bestow priority, durability, convertibility, and universality on assets, and thereby privileges its holders. Capitalism exists because modern legal systems are built on and around individual subjective rights and put the state in the service of protecting these rights."
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